Äthiopien

Geografie und Kultur. Äthiopien ist ein Hochland in Nord-Ostafrika mit großer Geschichte. Im Pharaonenzeitalter als Punt bekannt, zur Römerzeit als Axum – ein mächtiges Reich – nimmt Äthiopien noch vor Rom das Christentum als Staatsreligion an, die in einer sehr volksnahen, tiefen Religiosität
und Verbundenheit in den Menschen lebt. Es hat die älteste muslimische Gemeinde außerhalb Mekkas und Medinas und außerdem seit Jahrtausenden eine kleine jüdische Gemeinde. Heute leben in Äthiopien über 200 ethnische Gruppen verschiedener Religionen zusammen.

Armut. Äthiopien zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Schätzungsweise 49 % der Bevölkerung
sind unterernährt, auch in „guten“ Erntejahren bleiben Millionen Äthiopier auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Ursachen des Hungers sind Dürre und Überschwemmungen – verschärft durch verbreitete Entwaldung und Erosion –, ein Bevölkerungswachstum um 2 Millionen jährlich in den letzten zehn Jahren. Während Dürreperioden früher in Abständen
von 25 bis 30 Jahren auftraten, kommt es mittlerweile in Abständen von vier bis fünf Jahren
zu Dürren. Kinderarbeit ist weit verbreitet.

Der Phoenix wird aus der Asche geboren. Hawzien ist eine der ältesten Städte Äthiopiens, entstanden im axumitischen Reich. Die christlich-orthodoxe „Stadt der 6.600 Heiligen“ liegt auf über 2.800 Metern Höhe. Um die damalige Befreiungsbewegung zu schwächen, fand 1988 zur Zeit der kommunistischen Diktatur ein brutaler Gewaltakt statt. Am Markttag wurde die Stadt bombardiert – über 2.500 Menschen verloren so ihr Leben. Der Mangel an Kindergärten, Schulplätzen sowie berufsbildenden Schulen stellt die Region jedoch vor große Herausforderungen.


Ein Projekt entsteht. Im Norden Äthiopiens, an der Grenze zu Eritrea wurde im Jahr 2002 ein Verein gegründet. Unter der Leitung von Dr. Atsbaha Gebre Selassie (Studium in Göttingen, promovierter Landwirt, mit erster Demetererfahrung und großem Interesse an Waldorfpädagogik) und vielen weiteren engagierten Pädagogen ist eine Aufbauarbeit auf einem 3 ha großen, von der Gemeinde kostenlos zur Verfügung gestellten Grundstück mit einem ganzheitlichen Ansatz als erstes Projekt in Äthiopien entstanden.            

Der Kindergarten – ein neues Zuhause. Mittlerweile sind es 120 Kinder und die dritte Gruppe wird durch die Erstellung eines weiteren Gebäudes dem enormen Andrang etwas Entlastung schenken. Gleichzeitig wurden die Pläne für eine Schule eingereicht, da die Eltern sehr darum kämpfen, eine weitergehende Bildung für ihre Kinder haben zu können. Die Erweiterung wird die inhaltliche Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Schule durch das Anwachsen des Kollegiums intensivieren.

Die jetzt seit vielen Jahren kontinuierlich und mitviel Engagement arbeitenden Erzieherinnen möchte ich gerne vorstellen. Durch die Bedeutung der Namen die sich in so feiner Art und Weise auch in ihrer Arbeit mit den Kindern zeigen, wird deutlich, was die eigentliche Aufgabe in diesem Land ist:

  • Zenabu – Regen
  • Brehan – Licht
  • Freeuwni – Trauben
  • Tigist – Geduld
  • Hiwot – Leben

Ich habe sie dann so zusammengefasst und denke, dass ist ein lebendiges Bild für ihre Arbeit mit den Kindern: durch den „Regen“und das „Licht“entsteht „Leben“und durch „Geduld“ kann man Dinge wachsen und reifen lassen. Wenn man sie beständig pflegt, kann man die „Trauben“dann ernten.“

Samen für eine bessere Zukunft. Sichtbar wird, dass der Kindergarten wächst und gedeiht und ein Ort ist, zu dem alle Kinder und Eltern sehr gerne hingehen. Durch die Elternarbeit und das, was die Kinder mit nach Hause bringen, hat sich in den Familien schon vieles verändert. Die Harmonie, die sich in dieser Keimzelle ausbreitet, ist besonders in der vorhandenen Lebensfreude der Erzieherinnen im Umgang miteinander und in dem Verhältnis mit den Kindern zu spüren. Obwohl mit den Eltern vorher besprochen wurde, dass die Kinder in den Kindergarten gebracht werden sollen, laufen manche Kinder einfach von zuhause weg, um den weiten Weg alleine zum Kindergarten zu gehen.

Die Familien über die Kinder in der Gesundheitserziehung zu stärken ist ein weiterer Schwerpunkt: Die Infektionsrate von AIDS lag 2006 bei ca. 6,6 % bei der erwachsenen Bevölkerung. Damit sind in Äthiopien etwa drei Millionen Menschen infiziert. 2006 waren etwa 1,2 Millionen Kinder in Folge der Krankheit verwaist.So wird durch die ständigen Schulungen und den kontinuierlichen Aufbau über das Wissen, die Hintergründe, ebenso der Methodik-Didaktik das Verständnis für die Entwicklung der Kinder, unter Integration der eigenen Kultur und der Möglichkeiten vor Ort, intensiviert.
Der Keim ist gelegt und nicht mehr aus Hawzien fortzudenken.

Daher benötigen die Menschen vor Ort auch weiterhin die Unterstützung, um nicht an den Widrigkeiten des Landes zu scheitern. Von dieser Keimzelle aus, wünschen sich die Menschen eine Ausbreitung in ganz Äthiopien.

Angelike Wagner, Dozentin an der Fachschule für Sozialpädagogik in Mannheim und Projektbegleiterin in Äthiopien