Myanmar

Shan State ist die größte Region in Myanmar, die im Norden an China angrenzt, im Süden an Thailand und an Laos im Südosten. Diese gebirgige Gegend wird von Menschen bewohnt, die die Unabhängigkeit schätzen, hauptsächlich von der Landwirtschaft leben und ihre traditionelle Lebensweise beibehalten haben. Es gibt Gegenden, in denen Frauen und Kinder in großer Armut leben, oft aus  wirtschaftlichen Gründen, aber in bestimmten Teilen des Landes auch aufgrund von Bürgerkrieg.

Der Buddhismus spielt eine große Rolle in Myanmar. Die Klöster, seien es Nonnen- oder Mönchsklöster, haben eine wichtige Stellung in der Gesellschaft, sie gründen und betreiben Schulen, Kindergärten und medizinische Einrichtungen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und die Gehälter sind oft sehr gering. Die Kindergärten, die von den Klöstern oder Gemeinden gegründet werden sollen es den Eltern erlauben, eine Arbeitsstelle zu finden.

 
Wie kam es, dass die Waldorfbewegung in dieser Situation eine Rolle spielte?

Eine Gruppe von buddhistischen Mönchen und Erziehern hat  ausführliche Recherchen betrieben um eine Pädagogik zu finden, die dem kulturellen und  sozialen Stil ihrer Gemeinschaft entspricht. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Waldorferziehung mit der Weltanschauung und den spirituellen Grundlagen des Buddhismus vereinbar sei. Im Jahr 2012 wurde dann mit Hilfe der IASWECE ein Einführungskurs  in die Waldorfpädagogik organisiert. Seitdem haben jedes Jahr zwei- bis dreiwöchige Kurse stattgefunden, die von 70 bis 80 Studenten besucht wurden. Ein Netzwerk von Kindergärten, „Dhamma Mitta“, koordiniert diese Ausbildungskurse, berät und unterstützt die Kindergärten, die Mitglied sind und gibt, so weit wie möglich, einen Zuschuss zu den viel zu geringen Gehältern der Erzieherinnen. Es gibt zurzeit 19 Klöster und Gemeindezentren mit Kindergärten mit über 1000 Kindern, in denen versucht wird, anfänglich die Waldorferziehung einzuführen.

Die Leiterin der Hitikari Schule in der Stadt Lashio im Norden des Landes, Aye Su Wattie, die auch ein Mitglied der Initiativgruppe war, die die Waldorfpädagogik entdeckt hat, stellt seit drei Jahren die Räumlichkeiten ihres Kindergartens für die Ausbildungskurse zur Verfügung. Drei Erzieherinnen dieser Einrichtung haben nach dem ersten Ausbildungskurs ein dreimonatiges Praktikum in einem Waldorfkindergarten in Thailand gemacht, sind ganz begeistert zurückgekommen und haben versucht anzuwenden und ihren Kolleginnen mitzuteilen, was sie gelernt haben. Erziehrinnen aus anderen Einrichtungen hatten Gelegenheit, im Hitikari Kindergarten ein Praktikum zu machen und an Workshops teilzunehmen. Allgemein wächst das Interesse an diesem Pilotkindergarten, der immer mehr Besucher anzieht.

Vor dem diesjährigen Ausbildungskurs hatte die Dharma Mitta Gruppe es mir ermöglicht, viele Kindergärten zu besuchen. Dies gab eine gute Grundlage für die Kursarbeit und für die Gespräche mit den Erzieherinnen und Leitern der verschiedenen Gemeinschaften.

Die praktischen Lebensbedingungen sowie die wirtschaftlichen und sozialen Umstände sind vielerorts schwierig. In einigen der ärmsten Kindergärten herrschte eine warme, liebevolle Atmosphäre, Freispiel ohne Spielzeug, Kinder die ehrfurchtsvoll  staunen können und Erwachsene, die die Bedürfnisse der Kinder verstehen und die sich entschlossen haben, so gut wie es geht sich in ihren Lebensumständen für die Waldorfpädagogik einzusetzen.

Es gibt eine große Kerngruppe, die sich fest vorgenommen hat, die Erziehungspraxis für die ihnen anvertrauten Kinder zu verbessern. Sie entwickelt auch schon Pläne für die nächste Etappe, für die Gründung von Schulen. Viele der beteiligten Pädagogen lernen Englisch, aber es besteht nach wie vor die Notwendigkeit, Studienmaterial in die lokalen Sprachen zu übersetzen. Bei all meinen Begegnungen, Gesprächen und Vorträgen war ich auf Übersetzer angewiesen, die liebevoll und geduldig ihre Sprachkenntnisse mit mir übten und meine Gedanken in Shan und in Burmesisch  wiedergaben. Die Qualität unserer Zusammenarbeit überwand aber alle Sprachbarrieren.

Nach meinem Besuch in Myanmar sind mir folgende Gedanken besonders in Erinnerung geblieben:

  • Die Menschen dort haben eine innere Stärke
  • Die Ideen und Prinzipien des Buddhismus sind dort sehr lebendig
  • Eine Reform des Erziehungswesens ist dringend notwendig.

Es scheint mir, dass diese Gedanken ein Echo sind der Schlussworte der „Allgemeinen Menschenkunde“ Rudolf Steiner:

„Durchdringe dich mit Fantasiefähigkeit
Habe den Mut zur Wahrheit
Schärfe dein Gefühl für seelische Verantwortlichkeit“

Kate Bryant ist Waldorferziehrin im Ruhestand und begleitet seit 2012 die Einführungskurse in Waldorferziehung in Myanmar.